Karlheinz Essl auf der Art Basel (2011)

26. März 2014

Aus aktuellem Anlass wiederzuentdecken: 2011 führte ich mit Karlheinz Essl Senior ein Interview während der Art Basel. Ich holte den schwitzenden Sammler von einem VIP-Desk ab, verschleppte ihn in eine basler Punk-Kneipe – nämlich die legendäre “Agora Bar” – und befragte ihn dort u.a. über seinen Zugang zum Kunstshopping, seinen Kunstbegriff, und den Zusammenhang zwischen seiner Sammlertätigkeit und dem Baumax-Imperium. Zum Abschluss schenkte ich ihm ausserdem ein gerahmtes Bild…

…ob das nun ins Eigentum der Republik Österreich übergeht? Von wegen. Es besteht schon allein Aufgrund seiner Aussagen in diesem Interview keinerlei Anlass für einen Ankauf der Sammlung Essl durch die Republik Österreich.

Mal abgesehen von den kulturpolitischen und betriebswirtschaftlichen Absurditäten eines solchen Vorgehens*: Die zwingenden kunsthistorische Zusammenhänge innerhalb der Sammlung konnte mir Essl damals nicht glaubhaft machen.  Seine Sammlung erzählt weitaus mehr über die Dynamiken des internationalen Kunstmarkts als über österreichische Kunstgeschichte. Warum brauchen etwa Arbeiten von Lassning und Nitsch unbedingt die Nachbarschaft von Jonathan Messe und Anish Kapoor? In den bestehenden Sammlungen der Bundesmuseen wären sie weit besser “kontextualisiert”.

Kunst kann definitiv ein Heiligtum sein, nicht nur protestantisch oder katholisch, sondern und gerade auch kapitalistisch: sie ist das perfekte High-Status Konsumprodukt für Reiche und Superreiche, gerade in der leicht käuflichen und transportablen Objektform, in der Essl sie immer bevorzugt hat. Diesen Aspekt wischt Essl auch im Interview leider immer in recht unreflektierter, manchmal auch grantiger Weise beiseite. Durch einen Ankauf der Republik würde das nachträglich schöngeredet; die Institution “Museum” verkäme dann endgültig nur noch zur Legitimation privater Besitz- und Einkaufsgelüste, und diese würden in zukünftigen Ausstellungen auch noch mehr Platz einnehmen, als sie es ohnehin schon tun. Angesichts des Hypo-Debakels und dem sehr berechtigen Frust der österreichischen Steuerzahler_innen kommt sein Manöver auch zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.

Dennoch schätze ich Essl seit damals auch als einen für österreichische Verhältnisse unkonventionellen und engagierten Menschen, und als beeindruckenden Unternehmer. Die Kunstszene in Österreich bräuchte eigentlich mehr Mäzeen seines Schlages; und einen entspannteren Umgang mit ihnen. In Amerika sind Kunstsammler wie er – for better or worse - das Rückgrat der gesamten Museumslandschaft. Sie bieten prinzpiell die Chance, mehrere und andere Kunstgeschichten zu erzählen, als bloß eine Standard-Kunstgeschichte unter dem Kuratell der Bundesmuseen. Auch deren Kunst-Einkaufspolitik sollte viel stärker in Frage gestellt werden; und gerade dafür braucht es Alternativen wie u.a. die Sammlung Essl.

Essls momentanes Vorgehen ist wohl mehr das tollpatschige Indiz einer absolute persönliche Notlage als eine gut durchdachte Entscheidung – oder ein genialer PR-Schachzug, um die “Restruktierung” in einen für alle viel angenehmeren “Kulturdialog” umzumünzen, bei dem Gläubigern und Republik die diversen Hiobsbotschaften schonend und “konstruktiv” übermittelt werden? Essl hatte und hat sicherlich immer mit der Verachtung und den Standesdünkeln der instutionell-hochkulturellen – sprich: öffentlich geförderten – Kunstnetzwerke zu kämpfen gehabt – die sich im übrigen genauso gerne auf der Art Basel blicken lässt – und wird auch in der alternativen Szene** naturgemäss kaum ernstgenommen. Geld stinkt ja bekanntlich, und rosa Plakate in der U-Bahn sind doch ebenso wie Baumärkte eine ästhetische Zumutung ersten Ranges…wenig Wunder, wenn Leute wie er mit ihrem Geld und ihren guten Absichten sich dann letztlich doch immer wieder der ebenso vorhersehbaren wie einseitigen “Expertise” und “Freundschaft” internationaler Galerien und Starkünstler_innen anvertrauen.

 

*Dazu sehr lesenswert und zur Abwechslung auch einmal mit konkreten Zahlen auf den Punkt gebracht die Kunstmarkt-Analyse von Olga Kronsteiner: http://derstandard.at/1395363551489/Filetierung-bringt-Gewinn

**Welchselbige Szene die Materialien für ihre gesellschafts- und wirtschaftskritischen Kunstprojekte wenn nicht bei Boesner, dann doch am liebsten immer noch bei BauMax bezieht, und ihren Frust naturgemäss auch dort wieder abladen muss. Auch dass eine weitere von Essl verspielte Chance – hätte er diesen direkten Zusammenhang von Kunst und Baumärkten stärker reflektiert und aktiv gefördert, hätte er um einen Bruchteil des Geldes eine weitaus originellere und wegweisendere Kunstsammlung aufbauen können, und ausserdem etwas für das Image der Baumärkte getan.